Architektur im GebrauchGebaute Umwelt als LebensweltForum Architekturwissenschaft,Bd. 2Hg. von Sabine Ammon, Christoph Baumberger, Christine Neubert und Constanze A. PetrowUniversitätsverlag der TU Berlin, 2018ISBN 978-3-7983-2941-6 (online)Gesamtpublikation LinkGesamtpublikation auf demRepositorium der TU Berlin LinkISBN 978-3-7983-2940-9 (print)Die Druckpublikation kann direkt im Webshop des Universitätsverlages der TU Berlin bestellt werden Link
Inhalt und Vorwort
Kerstin RenzLest mehr Hausordnungen!Gebrauchsmuster und Gebrauchsdeterminanten in der Architektur+Am Beispiel eines Internatsgebäudes aus den 1960er Jahren dokumentiert der Beitrag das Verhältnis von Gebrauchsmustern und Gebrauchsdeterminanten in der Architektur. Das Internat in Schwäbisch Gmünd ist in seiner Zeit ein bildungspolitisches Vorzeigeprojekt. Die Erwartung der Initiatoren aus Politik und Pädagogik an die Architektur der Schule als Lernort der Demokratie wird durch eine diktatorische Hausordnung konterkariert. Insbesondere bei öffentlichen Bauten beeinflussen derartige Reglements das Nutzungsverhalten und die Wahrnehmung von Architektur. „Lest mehr Hausordnungen“ ist ein Plädoyer für stärkere Berücksichtigung von Gebrauchsmustern und Gebrauchsdeterminanten in der Architekturwissenschaft.Zum Beitrag Link
Christine NeubertEmpirie des Gebrauchs.Zur Praxis architektonischer Erfahrung in einem Kunstmuseum+Architektur im Gebrauch wird in diesem Beitrag anhand der Arbeitspraktiken des Besucherservices in einem Kunstmuseum empirisch aufgeschlossen. Im Forschungsstil der Ethnografie werden alltagsweltliche Erfahrungen mit Architektur entdeckt und in drei Hinsichten – Areal, Kooperation, Diskurs – systematisiert. Dabei ist die Reflexion der Methode und des damit verbundenen Erkenntnisinteresses an Architektur von zentraler Bedeutung. Der Fokus auf Praktiken hat zur Folge, dass weder das gebaute Objekt noch das menschliche Subjekt zur alleinigen Bedingung architektonischer Erfahrungen erklärt werden, sondern die Verschränkung von Architektur und Mensch in der Praxis. Sukzessive erschließt sich so, wie vielschichtig Arbeitsalltag in der gebauten Umgebung verankert ist.Zum Beitrag Link
Karsten BerrZur architektonischen Differenz von Herstellung und Gebrauch+Der Beitrag erarbeitet eine handlungstheoretische Grundlage für die Differenz von Herstellung und Gebrauch und spezifiziert diese Differenz für die Architektur und Landschaftsarchitektur als architektonische Disziplinen im weiten Sinne. Es wird gezeigt, dass und wie Bauen und Wohnen, Herstellung und Gebrauch, herstellungs- und gemeinschaftsbezogenes Handeln unterschieden und zugleich wechselseitig aufeinander verwiesen sind. Am Beispiel der Landschaftsarchitektur wird demonstriert, welche Folgen einseitige Übergewichtungen des Herstellungs- oder Gebrauchs-Aspektes für Praxis und Theorie der Landschaftsarchitektur haben können.Zum Beitrag Link
Kirsten WagnerOrnamente des Gebrauchs.Aneignungsformen von Architektur und ihre Aufzeichnung+Ausgehend von Walter Benjamin, der die Rezeption von Architektur nicht nur über die visuelle Wahrnehmung, sondern auch und vor allem über den taktilen Gebrauch bestimmt hat, thematisiert der Beitrag die Transformation von einem passivischen zu einem aktivischen Begriff des Gebrauchs von Architektur in der französischen Soziologie und Architekturtheorie der 1960er Jahre. Zentral für diese Transformation waren zwei empirische Studien zum Einfamilienhaus und zum modernen Wohnungsbau, über die das Wohnen als eine performative Praxis zu Tage trat. Die Studien hatten eine Versprachlichung und Visualisierung der entsprechenden Praktiken und ihrer Spuren zur Voraussetzung. Der Fotografie kam in diesem Zusammenhang eine besondere Funktion zu.Zum Beitrag Link
Ralf Liptau, Moritz SchummAufführung (in) der Architektur. Kinobauten im Gebrauch+Der Begriff ‚Kino‘ benennt einen Ort, an dem zwei Erfahrungsräume aufeinandertreffen: Der imaginäre Bildraum des Films und der konkrete architektonische Bau. Die Autoren schlagen eine Brücke zwischen Filmwissenschaft und Architekturgeschichte und analysieren gemeinsam den Erlebnisort Kino anhand eines konkreten historischen Fallbeispiels. Zum Beitrag Link
Martin DollArchitekturwahrnehmung im Gebrauch.Haptische Rezeption, Propriozeption und ‚beiläufiges Bemerken‘+Walter Benjamin spricht in seinem Kunstwerk-Aufsatz von der Architekturwahrnehmung „durch Gebrauch“ und „Gewohnheit“. Diese Rezeptionsformen werden mit Überlegungen des Philosophen Brian Massumi in eine produktive Verbindung gebracht, um die nicht-visuellen, haptischen beziehungsweise propriozeptiven Dimensionen der Architekturwahrnehmung genauer zu analysieren. Dies wird konzeptuell an Benjamins Überlegungen zur Architekturrezeption „in einem beiläufigen Bemerken“ gekoppelt, um zu zeigen, dass es insbesondere in Plansequenzen in Spielfilmen ins Werk gesetzt wird. Abschließend wird gefragt, ob sich daraus Erkenntnisse für den Gestaltungsprozess von Architektur gewinnen lassen oder warum nicht.Zum Beitrag Link
Dennis GschaiderBauen für die Forschung der Zukunft.Zum Diskurs um die Gestaltung von Forschungseinrichtungen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie (1950 bis 1980)+Der Beitrag befasst sich aus einer historischen Perspektive mit der Frage, wie Unternehmen Wissenschaft im Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Freiheit organisiert haben. Im Mittelpunkt stehen dabei die architektonischen Konfigurationen der Forschungseinrichtungen, mit denen die Unternehmen der Problematik begegnet sind, Forschung für das Unternehmen planbar zu gestalten. Dabei zeigt sich im Untersuchungszeitraum zwischen 1950 und 1980 ein Wandel von technischen zu kommunikativen Aspekten des Forschungsprozesses, die als ausschlaggebend für einen langfristigen Erfolg der Forschung eingestuft wurden und sich in der Gestaltung der Laboratorien abzeichneten.Zum Beitrag Link
Sebastian KurtenbachAlltagsort Großsiedlung.Zusammenhang von ‚physical‘ und social ‚disorder‘ am Beispiel Köln-Chorweiler+Auf der Grundlage der Broken-Windows-Theorie von Wilson und Kelling untersucht der Beitrag den Zusammenhang zwischen physischer Unordnung und abweichendem Verhalten innerhalb der Großsiedlung Köln-Chorweiler. Es wurden an sechs ausgewählten Orten strukturierte teilnehmende Beobachtungen geführt und mehr als 1.500 Situationen dokumentiert und ausgewertet. Das Ergebnis zeigt, dass innerhalb der Siedlung ein Zusammenhang zwischen ‚social‘ und ‚physical disorder‘ besteht.Zum Beitrag Link
Stephanie KernichDie affektiven Deutungsstrategien von Architektur-Laien+Dieser Beitrag befasst sich mit den Relevanzstrukturen von Architektur-Laien bei der Wahrnehmung der gebauten Umwelt, da – so die hier vertretene These – bei Laien prinzipiell andere Sinn- und Deutungszuschreibungen der gebauten Umwelt zugrunde liegen als bei denen, die sich professionell mit ihr beschäftigen. Dabei geht es insbesondere um die affektiven Deutungsstrategien, die hier als eine Auswahl präsentiert werden.Zum Beitrag Link
Irene BreuerDer Leib als Umschlagstelle zwischen dem ästhetischen und dem technischen Gebrauch der Architektur+Architektur ist das Produkt einer ästhetischen Herstellung, die wesentlich Entwurf und als solcher das Eröffnen von Möglichkeiten des Erlebens ist. Zugleich ist sie eine ‚techné‘, die nicht in ihrem Gebrauch aufgeht. Der Zwiespalt kann überwunden werden, indem Architektur als Entwurf von unterschiedlichen Erfahrungs- und Nutzungsweisen verstanden wird. Der Beitrag widmet sich dem ,leiblichen‘ Gebrauch der Architektur, insofern der Leib die Architektur in der Weise eines affektiven Verständnisses einwohnt. Dadurch ist er imstande, unsere Habitualitäten mittels einer kinästhetischen und/oder einer Gebrauchs-Epoché einzuklammern, um neue Erlebens- und Gebrauchsweisen sowie neue Sinnbildungen zu ermöglichen.Zum Beitrag Link
Constanze A. PetrowVom Entwurfsversprechen zum städtischen Freiraum als Alltagsort.Konzept für eine empirische Wirkungsforschung in der Landschaftsarchitektur+Trotz der hohen Bedeutung von öffentlichen Freiräumen als Natur und Erholungsorten in der Stadt wird deren Gestaltung und die Zufriedenheit der Nutzerinnen und Nutzer kaum je evaluiert. Es fehlen dafür nicht zuletzt die methodischen Instrumente. Darauf reagierend, stellt der Beitrag ein Konzept für eine empirische Wirkungsforschung in der Landschaftsarchitektur vor. Ziel ist die Wissensproduktion und das kollektive Lernen aus realisierten Projekten. Kontrastiert werden dafür unterschiedliche Narrative über einen Freiraum. Insbesondere soll der Zusammenhang zwischen dem „Entwurfsversprechen“ der Landschaftsarchitekten und dem realisierten Projekt als städtischer Raum und Alltagsort nachvollzogen werden.Zum Beitrag Link
Andrea Benze, Anuschka KutzRaumproduktion im Alter.Senioren, ihre Vorstellungswelten und die Stadt+Begonnen hat es mit der Studie Urbane Portraits. Senioren, ihre Vorstellungswelten und die Stadt, die während eines Forschungsaufenthaltes in Stuttgart durchgeführt wurde, um dort die Raumproduktion älterer Menschen zu untersuchen: Wie erleben ältere Menschen die Stadt, wie definieren sie ihre Zugehörigkeit, ist eine der Fragen. Der Titel des Beitrags ist in bewusster Anlehnung an Henri Lefebvre entstanden. Er paart zum ersten Mal die Begriffe Raum und Produktion als konzeptionellen Ausgangspunkt und legt in seinem Buch Die Produktion des Raumes eine umfangreiche theoretische Ergründung des relationalen Raumes vor. Diese Auseinandersetzung hat die Studie invieler Hinsicht beeinflusst.Zum Beitrag Link
Arne Dreissigacker, Gina R. WollingerDie Verletzung der ‚dritten Haut‘.Architektur und Kriminalität am Beispiel des Wohnungseinbruchs+Der Beitrag versucht das vornehmlich kriminologisch erforschte Phänomen des Wohnungseinbruchs unter Einbezug architektursoziologischer Denkansätze zu beleuchten. Dabei wird zunächst anhand einer Befragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens von 1.329 Betroffenen eines Wohnungseinbruchs gezeigt, welche Folgen die erlebte Tat für die Opfer nach sich zieht, die von Verhaltensänderungen bis hin zu Symptomen traumatischer Belastungsreaktionen reichen können. Anschließend wird nach dem Zusammenhang zwischen Architektur und Kriminalität gefragt und die Ergebnisse einer Studie zur Wirksamkeit präventiver Maßnahmen und Verhaltensweisen vorgestellt.Zum Beitrag Link
Alexander Henning SmolianÜber den Gebrauch von Sakralarchitektur in einer besonderen historischen Situation. Kirchen und politische Wende 1989+Der Beitrag beleuchtet das Phänomen der Verflechtungen von Kirche und Stadt unter anderem am Beispiel der Nikolaikirche zu Leipzig während des Jahres 1989. Die Kirche wird im Sinne ihrer „Tempelfunktion“, wie dies der Architekt, Stadtplaner und Stadtökologe Martin C. Neddens allgemein definiert, untersucht: das Bauwerk nimmt über die Gemeinde hinaus gesamtstädtische Aufgaben war. Die politische Wende hatte einen ihrer wesentlichen Ausgangspunkte hier, getragen von Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen.Zum Beitrag Link
Katja FriedrichVom Gebrauch ausgehen.Selbstbestimmte Raumaneignung ermöglichen+Der Aufsatz ist ein Plädoyer für das Ermöglichen selbstbestimmter Lebensweisen fernab festgelegter Architekturkonzepte, die Nutzer einschränken und normieren. Anhand eines Atelierbaus in Köln und der Gebrauchsgeschichten seiner Bewohner werden Raumaneignungsprozesse aufgezeigt. Dabei wird gezeigt, dass gerade eine erfolgreiche Raumaneignung über das Gelingen von Architektur entscheidet. Im selbstbestimmten Handeln erwächst ein je eigener Stil, der als äußerer Ausdruck des Selbst sichtbar wird, eine Wohlfühl-Atmosphäre schafft und das Zuhause als einen eigenen Geborgenheitsraum erlebbar macht.Zum Beitrag Link
Sabine AmmonHat das Gebaute eine Moral?+Zwischen Artefakten und Lebenswelt besteht ein wechselseitiges Bedingungsverhältnis: Artefakte beeinflussen unsere Lebenswelt, die wiederum Entstehung und Nutzung von Artefakten beeinflusst. Angesichts dieser Auswirkungen drängen sich Fragen nach Verantwortung in der Entwicklung des Gebauten auf. Wird das Gebaute damit moralisch und das Entwerfen zu einem Akt ethischer Relevanz? Abwehrend wird häufig auf die Neutralität der Technik verwiesen. Der Beitrag untersucht anhand der technikphilosophischen Positionen von Verbeek, Ihde und Winner, warum die Auffassung von der Neutralität des Gebauten falsch ist, sie aber noch lange nicht die Behauptung von der Moralität des Gebauten richtig macht.Zum Beitrag Link
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